Fallbeispiel: Wenn die Angst vor Feuer in der Küche das Leben beherrscht. Wie Hypnose gegen die Panik vor dem brennenden Herd helfen kann.
Carola (Name geändert), 31, Single, Erzieherin in einer Kita, kam in die Hypnosepraxis wegen einer extrem ausgeprägten Angst vor einem Wohnungsbrand. Innerhalb der letzten Wochen hatte insbesondere ihre Angst vor Feuer in der Küche ein immenses Ausmaß angenommen. In ihrem Fall war ein deutlicher Zusammenhang zum Auslöser ihrer Ängste feststellbar.
Was war geschehen? Vor vier Monaten war Carolas jüngerer Bruder beinahe bei einem Wohnungsbrand, ausgelöst durch eine glühende Herdplatte, ums Leben gekommen. Er war in seiner Wohnung im dritten Stock eines Wohnhauses gefangen, da es unter ihm brannte und das Treppenhaus bereits mit beißendem Rauch gefüllt war, der sowohl durch die Türritzen als auch durch die Dielen der Altbauwohnung drang.
Der junge Mann hatte sich innerhalb der Wohnung immer weiter zurückgezogen und dabei verzweifelt versucht, mit nassen Tüchern Türspalte und Dielenritzen abzudichten.
Im Hinterhof war blanker Betonboden, sodass ein Sprung aus der dritten Etage die letzte Möglichkeit gewesen wäre. Nur mit großem Glück und dem beherzten Eingreifen der Feuerwehrmänner war er der Todesgefahr entkommen. Zwei Mitarbeiter der Feuerwehr hatten ihn aus der Wohnung befreit und mit Atemmaske und Schutzkleidung durch das Treppenhaus nach draußen geführt.
Im Anschluss war er mit dem Notarztwagen mit einer Rauchvergiftung ins Krankenhaus gebracht worden, wo ihn Carola am darauffolgenden Tag völlig aufgelöst besucht hatte. Während der lebensgefährlichen Zeit im brennenden Haus hatte Carolas Bruder mit ihr telefoniert. Da sie sich zu diesem Zeitpunkt in einer anderen Stadt aufhielt, konnte sie nichts weiter tun, als ihm psychologischen Beistand zu leisten, während sie vor Angst und Panik beinahe wahnsinnig geworden wäre, wie sie sagte.
Diese hochemotionale Erfahrung hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes eingebrannt. „Die Machtlosigkeit war neben der Angst, dass mein Bruder qualvoll sterben würde, das Allerschlimmste“, presste Carola hervor, während wir uns gegenübersaßen und sie ihr Gesicht in ihren Händen vergrub.
Tränen liefen ihre Wangen hinunter und ihr Leid war förmlich im Raum zu spüren.
Carola interessierte sich sowohl für eine Hypnose- als auch für eine EMDR-Behandlung für die Therapie ihrer Angst vor Feuer in der Küche. Sie hatte im Vorfeld der Therapie auf meiner Webseite gelesen, dass ich diese beiden Methoden anbieten würde.
EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) gilt als hervorragend geeignet für die Behandlung einer Posttraumatischen Belastungsstörung, wie sie in Carolas Fall von einem Psychiater diagnostiziert worden war. Im Zuge meiner Praxistätigkeit in den vergangenen Jahren, durfte ich mit der Kombination aus EMDR und Hypnose sehr gute Erfahrungen machen.
Auch wenn Carola den Wohnungsbrand gar nicht selbst erlebt hatte, zeigte sie typische Symptome einer PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), wie Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und Flashbacks.
„Stell dir vor, als ich meinen Bruder am Tag nach dem Brand im Krankenhaus besuchte, saß er in so einem hellblauen Krankenhaushemd im Innenhof der Klinik und er roch aus allen Poren, als hätte er einen ganzen Abend lang direkt am Lagerfeuer gesessen“, erzählte sie mit einem Ausdruck der Ungläubigkeit in ihrer Stimme.
„Wenn ich nachts hochschrecke, habe immer wieder diese schrecklichen Bilder vor Augen, wie mein Bruder in diesem Flammeninferno erstickt und verbrennt oder ich sehe, wie er aus dem Fenster springt und auf dem Betonboden aufschlägt. Dann rast mein Herz wie verrückt und ich kriege kaum noch Luft. Stell dir vor, wie es für die Opfer und Angehörigen der brennenden Twin Towers bei den Terroranschlägen auf das World Trade Center am 11. September gewesen sein muss“, fuhr sie fort.
„Dein Bruder hat mehr als einen Schutzengel gehabt, ich freue mich sehr für euch, dass er wohlauf ist“, gab ich zurück und fragte: „Was wäre denn dein Wunsch an unsere Zusammenarbeit, woran würdest du merken, dass sich dein Anliegen geklärt hätte?“
Carola antwortete unmittelbar: „Darüber habe ich mir vor unserem ersten Treffen hier in deiner Praxis viele Gedanken gemacht. Ich glaube das Wichtigste für mich ist der Wunsch, akzeptieren und spüren zu können, die Geschichte ist abgeschlossen und ich muss sie nicht wieder und wieder in meiner inneren Wahrnehmung erleben und wiederholen."
"Mein Bruder ist gesund, er hat diesen Hausbrand überlebt und er ist in Sicherheit. Das will ich nicht nur intellektuell verstehen, sondern auch fühlen können. Es ist das Gefühl von Sicherheit, welches mir durch diese Brandkatastrophe abhanden gekommen ist.“
Nach kurzem Überlegen fügte sie hinzu: „Außerdem wünsche ich mir natürlich, wieder unbeschwert aus dem Haus gehen zu können, ohne zehn- oder zwanzigmal kontrollieren zu müssen, ob der Herd in der Küche aus ist, ob eine Kerze brennt oder das Bügeleisen an ist, selbst wenn ich es gar nicht benutzt habe.“
Wir fingen an zu sammeln, welche Ressourcen, Erinnerungen, Fähigkeiten und Kompetenzen Carola nutzen könnte, um ihrem Wunsch nach mehr Sicherheit nachzukommen. Häufig wollen wir schmerzhafte Gefühle möglichst schnell loswerden, indem wir sie verdrängen oder uns davon ablenken, ohne ihnen entsprechend Raum gegeben zu haben.
Ich erklärte Carola, wie wir in der Psychologie von der Würdigung des Leids sprechen. Wenn unser tiefstes Grundbedürfnis nach Sicherheit so massiv verletzt wird, kann es für unser System enorm wichtig sein, dies angemessen zu würdigen und anzuerkennen.
Bitte versteh mich richtig. Das soll nicht heißen, wir müssen uns ewig im Leid suhlen, doch einfach nur darüber hinwegzugehen, ohne dem schrecklichen Erlebnissen einen Raum zu geben, scheint in vielen Fällen kontraproduktiv zu sein.
Carola war vom Schwerpunkt sehr viel auf dem visuellen Sinneskanal unterwegs und wir suchten nach Bildern, die ihr halfen, das Erlebte besser zu verarbeiten und zu integrieren. Bei der ersten EMDR-Session tauchte der morgendliche Stuhlkreis in der Kita auf und es ergab sich, dass sie sich in ihrer Vorstellung in die Mitte begeben durfte, um allen Anwesenden von ihrem Leid zu erzählen. Dies verschaffte ihr große Erleichterung.
Ebenfalls wurde ihr bewusst, wie sehr sie sich Zeit ihres Lebens um ihren jüngeren Bruder gekümmert hatte. Unbewusste Schuldgefühle spielten eine Rolle, denn sie war nicht da, als es passierte. Von klein auf war sie die große, fürsorgliche Schwester, von der auch immer eine gewisse Stärke erwartet worden war. Schwäche zu zeigen oder die Kontrolle zu verlieren passte gar nicht in ihr Bild.
In der hypnotischen Trancearbeit kam ein ganz klarer Impuls und Carola sagte: „Ich weiß jetzt, was zu tun ist. Ich gehe nochmal in die Wohnung meines Bruders, mit der ganz klaren Absicht, dieses Kapitel abzuschließen. Bisher war sie nur einmal kurz nach dem Brand sehr widerwillig dorthin gegangen, um wichtige Dokumente für ihn zu holen.
Mehrere Wohnungen des Hauses waren vom Feuer und den Löscharbeiten derart in Mitleidenschaft gezogen worden, was umfangreiche Sanierungsarbeiten notwendig machte. Ihr Bruder hatte entschieden, auch nach der Komplettsanierung keinen Fuß mehr in dieses Haus zu setzen. Er war ebenfalls in psychologischer Behandlung, wegen Panikattacken und Schwierigkeiten alleine in geschlossenen Räumen zu sein.
Nachdem sich Carola mit dem Prozess der Trancearbeit immer mehr vertraut fühlte, bearbeiteten wir die belastende Situation während des Telefonates selbst. Die Möglichkeit, dissoziiert, mit viel Abstand auf die Szene schauen zu können, in Verbindung mit der Gewissheit - mein Bruder kommt da heil raus - halfen ihr, dieses Erleben mehr und mehr zu integrieren.
Auf diese Weise konnte sie das ursprünglich traumatische Ereignis neutraler wahrnehmen und beschreiben. Der Wechsel von EMDR-Sequenzen und Integrations-Trancen schien für sie eine passende Herangehensweise zu sein.
Bevor Carola in die Wohnung ihres Bruders ging, wollte sie auch diese Situation mehrere Male in einer Hypnosesitzung erleben, um sich optimal darauf vorzubereiten. Dazu nahmen wir uns viel Zeit mit Trancearbeit, sowie mit Elementen und Techniken aus der Traumatherapie. Ihre beste Freundin erklärte sich bereit, sie dorthin zu begleiten. Nach einer weiteren EMDR-Sitzung war es dann soweit.
Der Besuch des Hauses, in dem reges Treiben durch die Bauarbeiter herrschte, half ihr tatsächlich bei ihrem Therapieziel, mit den schrecklichen Erlebnissen abzuschließen und ihr Leben wieder mehr nach vorne orientiert zu leben.
„Wenn es vollständig instand gesetzt ist, werde ich nochmal hingehen und Fotos machen“, sagte sie entschlossen, als wir uns zur nächsten Sitzung in der Praxis trafen.
„Weißt du, Jojo, ich habe jetzt einen Deal mit mir selbst geschlossen. Bevor ich aus dem Haus gehe, nehme ich mir einmal kurz Zeit, um mich zu sammeln, dann erlaube ich mir ganz bewusst in die Küche zu gehen, um mich einmal in Ruhe zu versichern, dass der Herd und alle Lichter aus sind.
Danach verlasse ich auf dem direkten Weg die Wohnung und gebe mir folgende Suggestion: Je mehr Schritte ich mich von zu Hause entferne, desto ruhiger werde ich“, fuhr Carola fort, und es schien, als wäre sie stolz auf sich.
Fazit: Auch wenn Carola den Wohnungsbrand nicht selbst erlebt hatte, löste das dramatische Telefonat mit ihrem Bruder, während sich dieser in akuter Lebensgefahr befand, psychische und körperliche Symptome wie Ängste, Panik, Zwangsgedanken, Herzrasen und Atemnot bei ihr aus.
In ihrem Fall wird deutlich, wie sehr innere Bilder unsere Wahrnehmung beeinflussen können und wie wichtig es ist, darauf zu achten, welche Bilder und Filme wir konsumieren. Ich erinnere mich noch heute daran, wie in den Nachrichten immer wieder die Bilder von den brennenden Twin Towers gezeigt wurden und welchen Eindruck dies kollektiv hinterließ.
Jeder Mensch geht individuell anders mit traumatischen Erfahrungen um. Während Carolas Bruder für sich entschieden hatte, niemals mehr zum Brandort zurückzukehren, war es für seine Schwester ein wichtiger Teil ihrer Therapie, vor Ort mit dem Geschehenen abzuschließen.
Unbehandelte Ängste neigen dazu sich zu chronifizieren, sich auszudehnen und immer mehr Raum im Leben der Betroffenen einzunehmen. Deshalb empfiehlt es sich, Muster, die im Zusammenhang mit Ängststörungen und Angstproblematiken stehen, möglichst zeitnah zu transformieren und gesunde Lösungen zu finden.
Hypnose ist eines der ältesten Heilverfahren, die wir kennen. 2006 wurde sie vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP) anerkannt. In der Regel kommen meine Praxisbesucher*innen zwischen drei und fünf Mal zur Behandlung, um eine Lösung für ihr Problem zu finden. Im Vorfeld einer Hypnosetherapie bei Ängsten solltest Du organische Ursachen für dein Anliegen ausgeschlossen haben. Mehr über Jojo Weiß.
Comments